Natural Horseman Ship

 

Es geht auch anders
 


Wie alles begann

Mein größter Traum seit Kindertagen war es, eines Tages ein Pferd zu besitzen.
In meiner Ausbildung erfüllte ich mir diesen Traum, obwohl die Geldmittel nicht im Überfluß vorhanden waren.
Aber als ich dieses Pferd auf einer Weide im Westerwald gesehen habe, war es um mich geschehen.
Gesehen und gekauft! Er war sehr jung, und ich glaube, ich habe damals so ziemlich alles falsch gemacht,
was man nur falsch machen kann.
Schon die Anschaffung mit meiner damaligen finanziellen Situation war ein Fehler, da ich nur mit begrenzten
Mitteln arbeiten konnte. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich so vieles anders machen.
Nicht daß ich falsch verstanden werde - ich hänge wahnsinnig an meinem Pferd, und gerade deshalb würde ich ihm
bei einem “Neubeginn” so einiges ersparen wollen.

Es fing schon damit an, daß ich mir eingebildet habe, daß es besser sei, dieses junge Pferd aus dem Herdenverband
heraus zu holen, ihn in einen Stall zu stellen, Dandy nah bei mir zu haben, damit er sich an mich gewöhnt .
Vom Grundgedanken her nicht unbedingt schlecht, in der Umsetzung aber miserabel. Er stand die meiste Zeit in der Box,
bis auf dem Auslauf in der Halle und begrenzten Aufenthalt auf der Wiese im Sommer. Seinem Bewegungstrieb konnte ich
nicht gerecht werden, und so “knallte” er mir desöfteren um die Ohren.
Je unruhiger er wurde, um so mehr ließ ich ihn laufen, an der Longe, und auch frei in der Halle.
Wenn es überhaupt etwas gebracht hat, dann war es ein wahnsinns Konditionsaufbau, der im weiteren Verlauf nicht
gerade förderlich war.

Ich kaufte Sattel, Trense und alles was man sonst noch braucht. Und dann wurde Dandy eingeritten. Er war zu diesem
Zeitpunkt drei Jahre alt, und obwohl er schon mit einem Jahr gelegt (kastriert) worden war, hatte er noch erhebliche Hengstmanieren.
Ich gewöhnte Dandy an den Sattel und Trense, mit Hilfe des Reitlehrers. Erst legte ich mich desöfteren für
kurze Zeit auf seinen Rücken, damit er sich an mein Gewicht gewöhnen konnte. Später begann die Zeit des
“Einreitens”. Wenn ich heute daran denke,tut es mir jetzt noch in der Seele weh.
Das Einreiten, das spätere Reiten im Unterricht, sowohl auch das in “der freien Wildbahn”, war nicht wirklich schön.
Es war immer ein ewiger Kampf. Er wurde mit Hilfszügeln versehen, womit er wunderbar seine unteren Halsmuskeln
trainieren konnte, allerdings keine Rückenmuskulatur. Er bekam die Gerte zu spüren, bei Kommando vom Reitlehrer
auch “salvenartig”, später auch eigenständig. Der Lerneffekt hatte Früchte getragen. Man muß sich im Nachhinein nicht
wundern, daß er mir ständig “durchgegangen” ist. Heute denke ich, daß diese Reaktion eine Flucht war.
Wir bekämpften uns jahrelang, und ich war fest im Glauben, das müsse so sein. Und als wäre das nicht genug, begann ich
Jagden zu reiten. Heute denke ich, daß es ziemlich fahrlässig war, da dieses Pferd nur unter größten Mühen und
Kraftanstrengungen zu stoppen war. Ohne Hilfsmittel wie z.B. dem Pallham war da rein gar nichts zu machen.
Insgesamt hielt dieses Denken und die damit verbunden Schwierigkeiten wie z.B. Steigen, Durchgehen und Haken schlagen
so ca. zehn Jahre an. In all dieser Zeit habe ich mir schon gewünscht, daß es anders sein sollte, aber irgendwann habe
ich mich damit abgefunden, und mich irgendwie mit ihm arrangiert. Es folgte dann ein Stallwechsel. Ich wechselte mit meinem Bekannten zusammen den Stall.
Wir nahmen uns Boxen in einem kleinen Stall, wo nicht viele
Einsteller waren. Dazu muß man wissen, daß ich Ställe mit “Massenpferdehaltung” nicht mag.
Ich mag es eher familiär und kleiner. Und dieser Hof hatte alles was man braucht. Halle, Außenplatz, schöne Boxen
und einen wirklich tollen Innenhof. Aber so schön es dort auch war, die Probleme mit meinem Pferd waren da,
und sie blieben.

Ich kam, sah und staunte

Eines Tages wurde ich von Gabi angesprochen, ob ich ihr nicht mal zuschauen möchte, wenn sie mit ihrer Stute Colour in
der Halle ist. Ich hatte zwar am Rande schon mitbekommen daß sie im Umgang mit Pferden “anders” ist, aber was sie
dort machte war mir völlig unklar, ich hatte zuvor noch nichts vom Natural Horseman Ship gehört.
Sie zeigte mir einiges und mein Staunen kannte kein Ende! Ich beschloß umzudenken, quasi mit meinem Pferd nochmal
von Vorne anzufangen, sofern das noch möglich war. Gabi unterstützte uns wo sie nur konnte, zeigte und erklärte viel.
Ich lernte mit der Zeit, daß Kommunikation zwischen Pferd und Mensch möglich ist, ohne mein Pferd anzubrüllen,
und Konsequenz mitunter das A und O ist. Die meisten Schwierigkeiten hatte ich damit, mich im Zaum zu halten.
Ich mußte lernen, nicht bei jeder Kleinigkeit auszuflippen, die Dandy mir bot. Diese Hürde war für mich damals so
ziemlich die schwierigste. Es dauerte nicht sehr viel Zeit, und man sah schon die ersten Veränderungen
und Fortschritte. Wir haben sehr viel “Friendly Game” gemacht, d.h. ich habe das Pferd bei jeder sich bietenden
Gelegenheit freundlich berührt. Ob mit der Hand, mit dem Stecken o.ä. . Ich lernte, daß nicht ich meinem Pferd weichen
muß, sondern umgekehrt. Daß ich es nicht wegschieben kann, allein aus kräftetechnischen Gründen, und ein gewisser
Druckaufbau mit kleiner Fläche durchaus die bessere Variante ist. Ich hätte mir nie träumen lassen, mein Pferd mit zwei
Fingern und wenig Druck rückwärts zu schicken, geschweige denn das Pferd auch in die anderen Richtungen zu mobilisieren,
ohne großen Aufwand. Zudem haben wir sehr viel Bodenarbeit gemacht und Spiele gespielt, bevor es überhaupt
wieder in den Sattel ging.
Unser Verhältnis zueinander besserte sich wesentlich. Wirklich interessant war, daß je länger ich so mit meinem Pferd
umging, umso ruhiger wurde auch ich im Alltag. Es war ein erstaunlicher Nebeneffekt!
Irgendwann war es dann soweit, und das Reiten sollte hinzukommen. Wenn ich heute noch an das Gefühl denke, das ich
früher bei dem Gedanken Dandy ohne Trense zu reiten , stattdessen “nur” mit dem PNH-Knotenhalfter hatte, dann wird mir
noch Jahre später nachträglich schlecht. Ich hatte ein mentales Problem damit, daß er kein Gebiß mehr im Maul hatte.
Ich bildete mir ein, daß die Kommunikation vom Pferderücken Ohne nicht ginge. Auch da irrte ich mich gewaltig!
Man kann mit sovielen Dingen komunizieren, dazu brauch man kein Metallgestänge. Zwar kann es zur “Verfeinerung” später
hinzukommen, aber wirklich essentiell notwendig ist es nicht! Mein Sitz wurde weitestgehend verändert in einen lockeren,
unabhängigen Sitz. Auch die ganzen festen Normen wurden nach und nach über Bord geworfen.
Warum soll ich unbedingt vonlinks auf das Pferd steigen? Die Zeiten wo das Militär sich mit seinen Säbeln in den Sattel schwingen mußte, sind
schließlich vorbei. Im Prinzip gibt es keinen plausiblen Grund mehr dafür, stur von dieser Seite aus aufzusteigen,
im Gegensatz zu früher. Dies gilt auch für das Satteln, Führen,... eigentlich für alles was man mit dem Pferd macht.
Es ist gut, wenn das Pferd und natürlich auch der Reiter, auf beiden Seiten flexibel ist.

Nun praktiziere ich NHS mit meinem Pferd seit einigen Jahren. Dies hat auch mit sich gezogen, daß ich das Pferd mit anderen
Augen sehe. Man sieht es nicht einfach nur, nein, man erkennt und nimmt intensiver wahr.
Und allein diesen Aspekt finde ich einfach nur irre! Allein wie vielfältig die Kumunikation unter diesen
Artgenossen ist... .
Mittlerweile konnte ich auch ab und an mal bei Problemen zwischen Pferd und Besitzer helfen, und es ist immer wieder schön
den Menschen beim Umdenken zu beobachten, oder dabei, daß er “überhaupt” beginnt über seine Handlungen nachzudenken.
Traurig finde ich nur, daß so viele (wie auch ich) erst dann beginnen ihre Handlungen zu überdenken,
wenn der Karren schon im Dreck steckt, sprich (massive) Probleme vorhanden sind.
Wesentlich mehr erreichen kann man aber, wenn man von Anfang an auf eine gute Komunikation, Respekt, Vertrauen und
Konsequenz achtet.


 

Es geht auch anders